Beschreibung des Oberamts Waldsee/Kapitel B 1
« Kapitel A 7 | Beschreibung des Oberamts Waldsee | Kapitel B 2 » | |||
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
| |||||
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|
- 1) Waldsee, die Stadt, eine katholische Oberamtsstadt, ehemals eine der österreichischen 5 Donaustädte, 341/4 (geographische) Stunden von Stuttgart unter 27° 24′ 56,"99 der Länge und 47° 55′ 18,″73 der Breite, 1850 Pariser Fuß über der Meeresfläche, mit 1583 Einwohner (darunter 18 evangelische). Sie ist der Sitz der Oberamtsstellen, eines Cameralamts, eines katholischen Dekanats und eines Post-Amts, und dem Forstamt Ochsenhausen zugetheilt.
Der große und kleine Zehenten gehört dem Fürsten von Waldburg-Wolfegg-Waldsee, welcher solchen von dem vormaligen Chorstift Waldsee an sich gebracht hat; 372 Mrg. Ackers, sowie sämmtliche Wiesen sind zehentfrei. Von 1 Morgen Ackers bezieht die Sebastians-Bruderschafts-Caplanei den Zehenten. Die Grundlasten betragen 206 fl. in Geld, und 456 fl. in Naturalgefällen. Den größten Theil davon haben die Gemeinde- und die Armen-Pflege der Stadt, das| Königliche Kameralamt hat nur 50 fl. 33 kr. Geldgefälle zu beziehen.
Die hohe Jagd besitzt der Fürst von Waldburg-Wolfegg-Waldsee, die niedere theilt die Stadt mit demselben.
Ihren Namen hat die Stadt vermuthlich von den Wäldern, die ihre Markung von allen Seiten begrenzen, und von dem See, von dem sie zur Hälfte umgeben ist, siehe Seite 18. In ältern Urkunden findet man sie häufig Walse, auch Wallechse, Wallachsee, Wallasee, geschrieben.[2] Die Stadt liegt an der Hauptstraße in die Schweiz in der Vertiefung einer hohen Gegend, auf 3 Seiten von Hügeln eingeschlossen und nur auf der Abendseite gegen Steinach offen. Sie ist mit Mauern und, soweit sie der See nicht umschließt, mit Gräben umgeben, und hat 4 Thore und mehrere Thürme, von welchen der am Ravensburger-Thor im Jahr 1832 abgebrochen wurde, ein anderer aber am Biberacher-Thor gegenwärtig abgebrochen wird, um den Straßenzug zu verbessern. Die Stadt ist durchaus mit Gerölle gepflastert, und hat übrigens nur eine, zum Theil sehr beengte Hauptstraße. Die Häuser an dieser Straße sind meist von Stein und haben ein nicht ungefälliges Äußeres; im Übrigen hat die Stadt ein sehr alterthümliches Aussehen. Unter den öffentlichen Gebäuden sind folgende merkwürdig:
Das vormalige Chorstift mit der Stadtpfarrkirche, das aber durch den Abbruch des Propstei-Gebäudes, den Einbau des herrschaftlichen Fruchtkastens und mehrerer Privatwohnungen| an Ansehen viel verloren hat. Die Kirche ist in einem leichten gefälligen Style, unter Probst Heinrich Fuchs, welcher 1450 gewählt wurde, von Grund aus neu erbaut worden. Sie hat zwei Säulenreihen mit Spitzgewölben, 6 Altäre mit gut geschnitzten Heiligen-Bildern. Wie alle Stiftskirchen hat sie zwei Thürme, die mit Kuppeln versehen sind, sie wurden in den 1760er Jahren erbaut. In der Kirche, unter einer Seiten-Capelle, befindet sich auch die Gruft der Fürstlich Waldburg-Waldseeischen Linie, worin auch der berühmte Bauernjörg beigesetzt ist.Das Rathhaus, 1426 unter dem Bürger- und Bau-Meister Ulrich Kudrer ganz solid in gothischem Styl erbaut, mitten in der Stadt, über alle andere Gebäude weit hervorragend und durch seine mit Steinhauer-Arbeiten gezierte Giebelseite Aufsehen erregend. Über dem Dache ist eine Altane angebracht, von welcher die Aussicht auf die Stadt und ihre Umgebungen eröffnet ist, südlich im Hintergrunde erblickt man die Tyroler Gebirge, und gegen Abend die Gegend um Aulendorf und Altshausen, gegen Norden aber die von Schussenried bis gegen den Bussen.
Das Cameral-Amts-Gebäude, vormals Franziskaner-Kloster mit einem freundlichen Garten am See.
Das Bürger-Hospital mit einer Kirche, 1659 größtentheils wieder neu erbaut.
Die Oberamtei, vormals Bürgermeister-Wohnung, 1723 neu erbaut, ein schlechtes und unansehnliches Gebäude.
Das Oberamtsgerichts-Gebäude, 1827 durch den verstorbenen Stadtschultheißen Döbele neu erbaut und 1831 durch die Amts-Corporation für seinen gegenwärtigen Zweck um 8000 fl. gekauft.
Das Stadtpfarrhaus, ein Theil des vormaligen Frauenklosters.
Das Kornhaus, ein sehr altes Gebäude, das schon 1348 von Herrmann Pressant, Gutsschreiber zu Ulm, und Burkhardt| von Ellerbach angekauft worden, und dermalen einer Reparation bedürftig ist.Unter den Privat-Gebäuden ist das Gasthaus zum goldenen Adler, zugleich die Post, das ansehnlichste.
Sodann sind außerhalb der Stadt zu bemerken:
Die Frauenkirche auf einer Anhöhe an der Straße nach Ravensburg, um das Jahr 1480 erbaut.
Die St. Michaels- oder Gottes-Acker-Capelle, in den 1680er Jahren auf dem Begräbnißplatz erbaut.
Außerhalb der Stadt befinden sich auch noch die Aschenmühle, die Strohmühle, eine Ziegelhütte und einige Bierkeller, worunter sich der des Bärenwirths Schwarz durch Lage, Größe, und Schießstätte auszeichnet.
Die Bevölkerungs-Verhältnisse sind schon S. 81 und 32 berührt. Zu bemerken ist nur noch, daß die Zahl der Ortsanwesenden Fremden die Zahl der Ortsabwesenden Angehörigen um 90 übersteigt. Der Nahrungsstand beruht hauptsächlich auf dem Ackerbau und der Viehzucht. Handel und Gewerbe sind von keiner Bedeutung. In neuerer Zeit sind jedoch besonders die Brauereien, Lohgerbereien, Kutschen- und Wagner-Arbeiten mehr in Aufnahme gekommen. Der Wohlstand hat sich im Allgemeinen seit der Besitznahme durch die Krone Würtemberg merklich verbessert. Unter den Nebengewerben wird noch immer die Mousselin-Stickerei stark betrieben, obgleich der Verdienst gegen die frühern Jahre sich bedeutend vermindert hat. Außerdem hat die Stadt 15 Schildwirthschaften und 8 Brauereien, 3 Mahlmühlen, wovon eine Eigenthum der Stadt ist, siehe oben, 3 Lohmühlen, 1 Walk-Mühle, 1 Ziegelhütte, 1 der Stadt gehörige in Zinspacht gegebene Bleiche, und 1 Hammerschmiedte, Privateigenthum; ferner 4 Jahrmärkte und jeden Dienstag einen Frucht-Wochenmarkt. Auf letzteren werden jährlich im Durchschnitt 1000 Scheffel Roggen, 14.000 Scheffel Kernen, 5500 Scheffel Gerste und 1800 Scheffel Hafer zum Verkauf gebracht, wovon im Durchschnitt wöchentlich 200 Scheffel Kernen in die benachbarte Schweiz und in das Vorarlbergische abgeführt| werden. Außer einem lebhaften Güterzuge kommen wöchentlich 4 Eil- und 4 Packwagen und täglich reitende Posten an.Jeder Bürger erhält jährlich 1 Klafter Holz, und Torf kann er sich aus dem 1806 vertheilten Riede so viel stechen, als er bedarf, indem Überfluß an diesem Brenn-Material daselbst vorhanden und nur zu bedauern ist, daß der Torfstich nicht zweckmäßiger angelegt und betrieben wird.
Der städtische Haushalt ist gegenwärtig geordnet, aber von den Kriegsleistungen her noch mit einer Schuld von 42.500 fl. belastet. Die Stadt besitzt, außer dem dem Spital gehörigen Weiler Dinnenried, den Weiler Graben, ferner die Grabenmühle in der Stadt, vormals österreichische, jetzt würtembergische Kronlehen. Dieselbe wurde 1394 von Johannes Schad, Bürger in Waldsee, gekauft. Sodann besitzt die Stadt 621 Morgen Waldungen, darunter das sogenannte „Hartmannshölzle“, ein Lehen, womit die Stadt 1376 von Herzog Leopold von Österreich belehnt wurde. Die jährlichen Einkünfte aus diesem Grund-Eigenthum, aus dem Korn- und Waghaus, aus der Bleiche und an Pflaster- und Thorsperrgeld, nebst einer Umgelds-Entschädigung, mögen sich auf ungefähr 7500 fl. belaufen.
Das Wappen der Stadt besteht in einem schwarzen Schilde mit einem silbernen Balken; auf den Seiten des Schildes steht rechts ein Ruder, links ein Fisch. Denselben Schild führten auch die alten Herren von Waldsee.
Kirchen- und Schulwesen. Waldsee hat 3 Kirchen und 2 Capellen: die Stadtpfarrkirche, die Spitalkirche und die Frauenkirche; sodann die an das fürstliche Schloß angebaute Schloß-Capelle und die Gottes-Acker-Capelle. Regelmäßige Gottesdienste werden aber nur noch in der Stadtpfarrkirche gehalten. Für den Dienst an derselben sind neben einem Stadtpfarrer 3 Caplane bestimmt; in neuerer Zeit versieht ihn aber der Stadtpfarrer mit einem Vikar. Eine eigene Caplanei ist noch die der Sebastians-Bruderschaft. Der Caplan ist jetzt zugleich Präzeptor an der lateinischen Schule.| Die Caplanei wurde von der Bruderschaft 1482 gestiftet; vieles hat auch der Truchseß Georg von Waldburg dazu beigetragen. Ehemals wurde der Caplan von dem Stadtrath angestellt, jetzt stellt ihn der Staat an. Die Pfarr-Kirche ist dem heiligen Apostel Petrus geweiht, Filiale davon sind: Eichenstegen, Haslanden, Heurenbach, Hifringen, Hopfenweiler, Kohhaus, Mattenhaus, Reichertshaus, Schellenberg, Steinach, Steinenberg, Unter- und Mittel-Urbach, Seeden, Volkertshaus und Wolpertsheim. Die Baulast an der Kirche und dem Pfarrhause hat mit dem Patronatrecht der Staat in Folge des Eintritts in einen Theil der Klosterbesitzungen. Über die Entstehung der Stadtpfarrei fehlen die Urkunden, daß sie aber sehr alt ist, beweist der Umstand, daß sie im Jahr 1181 schon so viele Einkünfte hatte, daß sie in ein Chorherrenstift verwandelt werden konnte.Dieses Chorstift St. Peter von der Regel des heiligen Augustin wurde von K. Friedrich I. kraft Urkunde vom 12. Mai 1181 gestiftet. Die Pröpste waren Stadtpfarrer und von 1618 an infulirte Äbte. Die Vogtei des Klosters wurde 1282 von Kaiser Rudolph dem Eberhard und seinen Brüdern, Herren zu Waldsee, um 20 Mark Silbers übertragen, und das Stift blieb auch fortwährend der Landesherrschaft unterworfen. Erster Propst war der Freiherr Berthold von Waldsee. Im Jahr 1258 wurde das Stift von Papst Alexander IV. in päpstlichen Schutz genommen, was auch von spätern Päpsten geschah. Allmählig erwarb das Stift sehr ausgebreitete Besitzungen. Die bedeutendste davon war das Gericht Reute, siehe unten. Unter dem Propst Heinrich III., einem Grafen von Veringen, wurde die Kirche 1351 dem Stift einverleibt.
Im Jahr 1788 wurde das Kloster auf Befehl des Kaisers Joseph II. aufgehoben, und seine Besitzungen wurden für Rechnung des kaiserlich königlich österreichischen Religions-Fonds verkauft, und zwar:|jene in der Grafschaft Wolfegg an diese um | 44.100 fl. |
jene in der Herrschaft Waldsee an diese für | 234.500 fl. |
die Klostergebäude mit dem Bauhof an 8 Waldseer Bürger für | 53.000 fl. |
einige zerstreut liegende Güter im städtischen Etter für | 4.000 fl. |
das Gericht Reute mit den Pfarrwitthums-Äckern an die Herrschaft Waldsee für | 122.000 fl. |
die Reben in Gattnau und Markdorf für | 15.000 fl. |
__________ | |
Zusammen | 472.600 fl. |
Die Besitzungen in der Landvogtei im Anschlag von 106.214 fl. wurden vorbehalten, um die Kirche und Pfarrei auf’s Neue zu dotiren. Die kurz darauf erfolgten französischen Kriege verzögerten jedoch die förmliche Dotation, inzwischen wurden aus den Einkünften der letztgenannten Besitzungen ausgesetzt: einem jeweiligen Stadtpfarrer 800 fl., für Haltung eines Pferdes 150 fl. und für 3 Capläne à 420 fl., zusammen 1.260 fl.; auch wurden die Bau- und Cultkosten daraus bestritten.
Als im Jahr 1806 die Stadt Waldsee an Würtemberg kam, wurden diese Besitzungen incamerirt und von dem Staat seither Pfarrkirche und Geistlichkeit unterhalten. Die drei Caplaneien aber wurden aufgehoben und das Einkommen dem Dekan zugetheilt, mit der Obliegenheit, 2 beständige Vikarien zu halten.
Außer dem aus der Stadtpfarrkirche hervorgegangenen Chorstift waren in Waldsee noch zwei Klöster:
Ein Frauenkloster des Franziskaner-Ordens, welches sich gegen das Ende des 14ten Jahrhunderts aus einer Beguinen-Gesellschaft bildete. Im 16ten Jahrhundert wurde das Klösterlein gebaut und ein Garten dazu angekauft, 1783 aber auf Befehl K. Josephs II. aufgehoben; seine Besitzungen wurden verkauft, und der Erlös zum kaiserlich königlich österreichischen Religions-Fond eingezogen. Ein Theil des Klostergebäudes nebst dem Garten vor dem Biberacher Thor wurde 1790 für den Stadtpfarrer wieder erkauft, der auch im Genusse desselben steht.| Ein Franziskaner-Manns-Kloster. Schon im Jahr 1465 hatte Konrad Myttenhauser von Waldsee, Bürger in Wien, eine Kirche, zur Himmelspforten oder Krättlinskirche genannt, aus eigenen Mitteln erbaut und eine ewige Messe dazu gestiftet. Zur anständigen Unterhaltung eines eigenen Geistlichen wurden diese und eine andere geringe Meßstiftung der Kirche auf dem Frauenberg vom Jahr 1483 im Jahre 1649 vereinigt und damit der Grund für ein Franziskaner-Convent gelegt. 1650 erkaufte die Stadt vom Kloster Schussenried dessen Behausung sammt Garten in der Stadt, und übergab solche mit landesherrlicher Bewilligung dem Ordens-Provinzial, der sie mit Brüdern besetzte, die nach ihrer Ordensregel außer den Meßstiftungen meistens von gesammelten Almosen lebten. Nach der würtembergischen Besitznahme 1806 wurde das Kloster aufgehoben und zum Sitz des Königlichen Kameralamts, die Kirche aber zum Fruchtkasten eingerichtet.Neben diesen Klöstern bestanden noch 2 Kirchenstiftungen:
1) zu U. L. Frauen auf dem Berge, die Frauenpflege; 2) zu St. Michael auf dem Gottes-Acker, die Spendpflege, ferner 4 Bruderschaften, die St. Sebastians-, die heilige Rosenkranz-, die St. Jakobs- und die Nächststerbenden-Bruderschaft, welche 1784 unter Kaiser Joseph II. aufgehoben wurden. Ihr Vermögen sollte an den kaiserlich königlich österreichischen Religions- und Studien-Fond eingesendet werden; Kaiser Leopold II. überließ jedoch dasselbe 1791 der Stadt mit der Bestimmung, daß die Einkünfte für die Schulen und Armen verwendet werden sollen. Im Jahr 1811 wurden die genannten 2 Kirchenstiftungen und die 4 Bruderschaften mit dem Hospital unter der Benennung Armen-Verwaltung vereinigt. Zur Zeit dieser Vereinigung besaß die Frauenpflege jährliche Grund- und Bodenzinse 1 fl. 40 kr., Falllehenzinse 2 fl. 34 kr., Güterbestandzinse 10 fl., Zehentgeld – 52 fl. 37 kr. 4 Hlr., Küchengefälle, 1 Henne, 4 Hühner und 100 Eier, Gültfrüchte 15 Scheffel 2 Simri Dinkel und 15 Scheffel 2 Simri Haber, Kapitalien – 6585 fl.; die Spendpflege:| jährliches Falllehen, Zinse 3 fl. 38 kr., 4 Hlr.; Güterbestandzinse 17 fl. 20 kr.; Küchengefälle 1 Henne, 4 Hühner und 100 Eier, Gült- und Zehentfrüchte, Dinkel 7 Scheffel 7 Simri, Hafer 7 Scheffel 7 Simri, Kapitalien 6139 fl. 30 kr. Die St. Sebastians-Bruderschaft, nach Ausscheidung der Pfründe für einen jeweiligen Caplan, jährliche Falllehenzinse 1 fl. 8 kr. 4 Hlr.; Gültfrüchte: Roggen 4 Simri, Dinkel 4 Scheffel 1 Simri 3 Vrlg.; Hafer, 4 Scheffel 1 Simri 3 Vrlg,; Küchengefälle 1 Henne, 2 Hühner, 60 Eier; Kapitalien 24.955 fl.; die Rosenkranz-Bruderschaft, Kapitalien 700 fl.; die St. Jakobs-Bruderschaft, jährliche Güterbestandzinse 2 fl. 40 kr., Kapitalien 930 fl.; die Nächststerbenden-Bruderschaft, Kapitalien 56 fl.Die Schul-Anstalten bestehen in einer lateinischen Schule, die der jeweilige Sebastians-Bruderschafts-Caplan mit einer Zulage von 100 fl. aus dem Stiftungsfond versieht, in einer deutschen Schule mit 4 Klassen und 2 Lehrern, in einer deutschen Schule für die Filialisten mit 1 Lehrer und 1 Provisor, in einer Zeichnungs- und in einer Industrie-Schule.
Siechen- oder Leprosenpflege. Ihre Stiftung ist gleichfalls sehr alt. Vom Ende des 14ten und durch das 15te Jahrhundert hindurch hat sie bedeutende Erwerbungen gemacht. Bei ihrer Vereinigung mit der Armen-Verwaltung 1811 betrug ihr Einkommen jährliche Bodenzinse 2 fl. 18 kr. 4 Hlr.; Falllehenzinse 10 fl. 42 kr. 4 Hlr.; Haus- und Güter-Bestandzinse 24 fl. 30 kr.; Gült- und Zehentfrüchte: Dinkel 23 Sch. 1 S.; Hafer 23 Sch. 1 S.; Küchengefälle und 14.094 fl. 30 kr. Kapitalien.
Maucher’sche Stipendien- und Lehrgeld-Stiftung. Michael Maucher, von wenig bemittelten Eltern zu Heisterkirch geboren, Stadtpfarrer und Dekan in Leutkirch, stiftete 1645 zu einem Stipendium für arme Studirende 2000 fl.| und zu Erlernung von Handwerken für arme Jünglinge 800 fl. und 1660 für arme Bürgersleute, die Schulkinder nicht ausgenommen, 2000 fl., wovon der Ertrag jährlich am St. Ottmarstag ausgetheilt werden soll.Unold’sche Lehrgelds-Stiftung. Der verstorbene Gräfl. Wolfegg-Waldsee’sche Oberamts-Rath Peter Unold, welcher ohne Ursache von seiner Dienstherrschaft entlassen und dadurch mit der letztern in einen Prozeß bei dem Reichskammergericht verwickelt wurde, setzte seine Gattin unter der Bedingung zur Erbin ein, daß sie den begonnenen Prozeß zu Ende führe. In Folge eines den 25. November 1809 von dem königl. Obertribunal geschlossenen Vergleichs erhielt sie nicht nur eine angemessene Entschädigungssumme, sondern auch eine feierliche Ehrenerklärung. Dankbar stiftete sie 1500 fl., mit der Bestimmung, daß die Zinsen den Armen der Stadt- und Land-Pfarrei Waldsee zu Erlernung von Handwerken und weiblichen Arbeiten dergestalt zugewendet werden sollen, daß jährlich am 9ten Oktober von den Zinsen a) einem Knaben, abwechslungsweise je das erste Jahr aus der Stadt-, und das zweite aus der Land-Pfarrei zu Erlernung eines Handwerks nach dem Loos 40 fl., b) einem Mädchen aus der Stadt, zu Erlernung des Nähens, Strickens, Stickens oder Kochens 12 fl., c) einem Mädchen vom Lande zu gleichem Zweck 12 fl. abgereicht werden.
Die Stadt betrachtete es als ein besonders frohes Ereigniß, daß sie 1680 gegen Erlegung von 3000 fl. von der Pfandschaft befreit und unter Österreichische Herrschaft gestellt wurde, und verdankte dies hauptsächlich den geschickten Unterhandlungen ihres Bürgermeisters Georg Ferd. Molitor von Lewenburg. Gleichwohl war die Zeit der Pfandherrschaft diejenige Zeit, worin ihr innerer Wohlstand merklich zugenommen hat und die meisten Erwerbungen der Stadt und ihrer Stiftungen gemacht wurden, während ihr Vermögensstand von jener Zeit an immer mehr abgenommen hat. Von 1680 an blieb die Stadt Waldsee fortwährend unter Österreichischer Herrschaft, bis sie durch den Preßburger Frieden, 26sten Dezember 1805, von Österreich abgetreten und durch die Rheinische Bundesakte vom 12. Juli 1806 der Krone Würtemberg zugetheilt wurde.[6]
Die Verfassung und Verwaltung der Stadt war dieselbe, wie die der andern Österreichischen Donaustädte. Wie diese, so war auch Waldsee allmählig zu Rechten und Freiheiten gelangt, welche die Stadt so ziemlich in die Klasse unabhängiger Reichsstädte setzten. Im J. 1298 wurden der Stadt wegen ihrer erprobten treuen Anhänglichkeit an das Reich die Rechte und Freiheiten der Stadt Ravensburg, somit Stadtrecht verliehen. Herzog Leopold verlieh ihr aus Erkenntlichkeit (s. o.) 1375 das Recht, einen (Weg-) Zoll zu| erheben, sowie das Recht der Auswanderung und der freien Bürger-Annahme; K. Wenzel befreite sie 1379 von auswärtigen Gerichten und K. Sigmund ertheilte ihr 1434 den Blutbann. So bildete die Stadt allmählig ein ziemlich unabhängiges Gemeinwesen, eine Herrschaft mit eigener Verwaltung, wozu auch die Weiler Graben und Dinnenried gehörten. Die Verwaltung hatte der Magistrat zu führen, der zuletzt aus 1 Bürgermeister, 3 Stadträthen, 1 Syndicus und 1 Rathsschreiber bestand, und der bei Fällen, wo es sich um die Aufnahme eines Bürgers, Aufnahme eines Kapitals für das gemeine Wesen, um Veräußerung oder Verpfändung der Gemeindegüter und Rechte, Abhörung der städtischen und Stiftungs-Rechnungen und Anlegung und Ausschreibung einer neuen Steuer handelte, 4 Deputirte aus den 20 Repräsentanten der Bürgerschaft beizuziehen hatte. Die Ergänzung des Stadtraths erfolgte durch die Wahl des Stadtraths und der Bürger-Deputations-Mitglieder. Ein herrschaftlicher Beamter war nicht in der Stadt; wie andere Bezirke, war sie dagegen dem Oberamt Altdorf und mit diesem der vorderösterreichischen Regierung zu Freiburg untergeben. S. Saulgau, Riedlingen etc.Die Finanz-Verwaltung war unter zwei Kassen-Ämter, die Seckelamtskasse und die Steueramtskasse, vertheilt. Das Seckelamt verwaltete die städtischen Einkünfte, das Steueramt die Steuern und Umlagen. Die vorzüglichern Ämter wurden immer den Stadträthen zugetheilt.
Das Einkommen der Landesherrschaft bestand in 120 Pfund Heller oder 68 fl. 30 kr. von der Nikolai-Steuer, und in 120 Pfund Heller vom Stadtammannamte; sodann in 75 fl. vom Kornhaus, Marktzoll und Umgeld, laut Vertrags in 34 kr. 2 Heller Prielzins und der Hälfte der Strafgelder von auswärtigen Frevlern, wovon laut Anweisung den 8ten Juni 1731 für die Schützen jährlich 15 fl. abzuziehen waren.
Die Steuern, welche in die landständische Kasse nach Ehingen, wo die Stadt in der Stände-Versammlung eigenen Sitz und Stimme hatte, flossen, betrugen|- a. Dominicalsteuer 652 fl. 47 kr. 1 Hlr.
- b. Rusticalsteuer 780 fl. 31 kr. 5 Hlr.
Die Letztere wurde auf Gebäude, Gründe, Gewerbe und Nutz-Vieh umgelegt.
Über die besondern Schicksale der Stadt wollen wir hier nur bemerken, daß 1359 eine wüthende Pest beinahe 2/3 der Menschen hinwegraffte, und daß 1402 der Blitz einschlug und die ganze Vorstadt abbrannte. Im dreißigjährigen Kriege kam die Stadt ziemlich gut weg; dagegen wurde sie durch den span. Erbfolgekrieg so sehr mitgenommen, daß sie das Dorf Winterstetten nebst andern Besitzungen verkaufen mußte. Die letzten französischen Kriege brachten die Stadt in eine Schuldenlast von 77.000 fl.
Unter die ausgezeichneteren Waldseer sind zu zählen: Conrad Kygelin von Waldsee, einer der würdigsten Pröpste des Chorherrenstifts, 1418–1423. Er stand in dem Rufe großer Frömmigkeit. In neuerer Zeit haben sich einigen Ruhm erworben: Ignaz Steinhauser, der in den Kapuziner-Orden mit dem Namen Pelagius trat, und wegen seiner gründlichen Sprach-Kenntnisse geschätzt war. Er starb als Pfarrer in Scharnitz in Tyrol 1799. F. Joseph Reisch, Bildhauer und Stadtrath, dessen Werke in der Schweiz sehr beliebt waren.
Das alte Schloß Waldsee, die Stammburg der ehemaligen Herren von Waldsee, soll auf einem Hügel, der sich an der Nordseite der Stadt erhebt und die Straßen nach Biberach und Saulgau scheidet, gestanden haben. Es sind aber keine Spuren davon mehr vorhanden, doch heißt der Hügel noch die Burghalde und bietet eine angenehme Aussicht auf die Stadt, die Tyroler Gebirge und gegen das Schussenthal dar. Wir glauben hiebei die Bemerkung nicht umgehen zu dürfen, daß vor 15 Jahren ein Abgeordneter des fürstlichen Hauses Colloredo-Waldsee sich hier einfand, welcher diese sogenannte »Burghalde« durch einen Maler aufnehmen ließ und von derselben einen Rasen, Steine und Erde mit sich nahm. Ob die Truchseßen noch auf der alten Burg gehaust haben, ist zweifelhaft; so viel aber ist gewiß, daß diese schon zur Zeit des Bauernaufruhrs ihr Schloß auf dem Platze des jetzigen hatten. Hier wurden 1525 die Gattin und die Kinder des Truchsessen Georg von den rebellischen Bauern unter Anführung des Pfarrers Florian von Eichstetten belagert, bis Georg, der auswärts mit Unterdrückung des Aufstandes beschäftigt war, sie aus dem Felde schlug.
Neuwaldsee, die Burg, deren, wie wir glauben, in dem oben erwähnten Kaufbriefe von 1331 gedacht ist, stand östlich von Mittel-Urbach, 1 St. von Waldsee, auf einer hohen Waldspitze,| welche noch den Namen davon hat. Es findet sich übrigens keine Spur mehr von einer Burg; dagegen findet man in Urkunden, daß auf dem Platz ein Jägerhaus gestanden hatte, wovon aber ebenfalls nichts mehr zu sehen ist, außer einzelnen Bausteinen.Zu der Gemeinde Waldsee gehörten bis 1831:
- 2) Dinnenried, ein kathol. Weiler mit 60 E., Filial von Reute, in einer einsamen Riedgegend. Die Güter sind Lehen des Hospitals zu Waldsee, wohin die Zehenten, Grund- und andere Gefälle entrichtet werden. Dinnenried ist seit 1831 in den Gemeinde-Verband von Bergatreute eingetheilt. Zur Privat-Andacht ist eine kleine Kapelle daselbst. Die Kinder besuchen die Filialschule zu Gaisbeuren.
- 3) Graben, ein kathol. Weiler mit 39 E. Er gehört mit allen Lehen-Rechten und Zehenten der Stadt Waldsee, seit 1831 ist er der Gemeinde Heisterkirch zugetheilt. Der Weiler hatte früher eigene Edelleute, auch findet man daselbst noch die Spuren einer Veste. Die Edlen v. Graben besaßen außer dem Weiler auch noch verschiedene andere Güter im Oberamtsbezirk: 1313 verkaufen Ulrich und Friedrich v. Graben ein Gut zu Steinenberg um 24 M. S. an das Gotteshaus Waldsee. 1355 stiftet Agnes v. Graben ebendahin ein Gut zu Ankenreute, und 1363 Conrad v. Graben eines zu Mühlhausen, 1371 aber die Zehenten zu Wengen und Ziegolz. Von Conrad v. Graben kam der Weiler an Albrecht v. Königsegg, welcher ihn 1400 an Conrad Faber zu Waldsee verkaufte. Von den Faber’schen Nachkommen wurde derselbe 1618 an die Stadt Waldsee verkauft, welche noch im Besitz desselben in der Eigenschaft eines vormals österreichischen, nun würtembergischen Kronlehens ist.
- ↑ Im Jahr 1831 sind mehrere Veränderungen im Stande der Gemeinden gemacht worden. Da aber diese Veränderungen störend in alle bestehenden Verhältnisse eingreifen, und daher Reclamationen veranlaßten, welche eine Aufhebung derselben erwarten lassen: so wurde hier um so mehr die Eintheilung, wie sie das neueste Staats-Handbuch von 1831 enthält, beibehalten, als sie in den tabellarischen Übersichten nicht wohl zu ändern gewesen wäre. Die Bevölkerung der einzelnen Orte ist nach dem Stand vom 1. November 1833 angegeben; in der Tabelle nach der Zählung von 1832.
- ↑ Auf diese ältere Schreibart gründet der Herr Dom-Capitular Dr. Vannotti die Vermuthung, daß der Name von Walch oder Wallen herkomme, und gleich dem Wallensee und Wallenstadt in der Schweiz einen Ort bedeute, an welchem sich Fremde niedergelassen haben. Wal, Wall, Walch, oder wie man später schrieb, Wälsch bedeutet so viel als fremd, ausländisch. Daß diese Fremden aber, wie an dem Wallensee, Römer waren, wird theils durch Sagen von dem Alter des Schlosses Waldsee, vermuthlich ursprünglich eines römischen Wartthurms an der Straße vom Bodensee an die Donau, theils durch die hier aufgefundenen römischen Münzen wahrscheinlich.
- ↑ Everhardus de Waltse et Conradus und Bertoldus, Eberhards Sohn, stehen als Zeugen in der kaiserl. Stiftungs-Urkunde des Klosters Waldsee vom Jahr 1181. In dieser Urkunde erklärt der Kaiser unter Anderem: „Notum etiam esse volumus, quod ministeriales de Waltse ad ducatum pertinent et conditione sui juris nulli nisi duci Suevorum respondere debent.“ Die Herren von Waldsee waren also, wenn nicht anders die Stelle von Ministerialen der Gegend überhaupt spricht, herzogliche (ursprünglich wohl Welfische), später königliche Ministerialen, aber Niemand als dem Herzog unterworfen. In einer Urkunde von Ulm 1280 nennt Kaiser Rudolph den Eberhard von Waldsee ministerialem nostrum. Nach Bappenheim von dem uralten Stamme der Herren v. Calatin hätten sie das Kämmereramt an dem herzogl. Hofe bekleidet, und sich auch Camerarii de Waldsee geschrieben. Die von ihnen 1331 verkauften Güter waren durchaus freies Eigenthum. Nach der Chronik des Klosters Waldsee war der erste Propst dieses Klosters: „Berthold aus dem Geschlechte der Grafen von Heiligenberg und Waldsee.“ Wir lassen den Werth dieser Angabe in Beziehung auf die Abkunft der von Waldsee auf sich beruhen.
- ↑ Im Jahr 1325 verschreibt sich Burkhart v. Jungingen, daß wenn die v. Walse dem Herzog Leopold v. Österreich und seinen Brüdern die Briefe, die sie ihnen geben sollen, nicht vollführen, er diesen Herzogen Burg und Stadt Waldsee und alle die Vesten, die die v. Waldsee in Schwaben haben und ihm von ihnen anbefohlen worden, einantworten werde.
- ↑ Man hat keine Spur, daß das Kloster zu Waldsee, das mit der Stadt ganz verbunden war, je Neuwaldsee genannt worden wäre. Es ist daher ohne Zweifel nach „Kloster“ ein in der Urkunde ausgebliebenes Komma zu setzen, und unter Neuwaldsee die Burg dieses Namens mit der Herrschaft Waldsee, im Gegensatz von Burg und Stadt Waldsee, zu verstehen. Über die Burg Neuwaldsee s. u.
- ↑ Wie oben bemerkt worden, war Waldsee eine der österreichischen fünf Donaustädte, welche durch den Preßburger Frieden an Würtemberg abgetreten wurden. Durch einen diplomatischen Schnitzer wurde aber in dem Friedensvertrage statt Waldsee die Stadt Ehingen, die nie zu den Donaustädten gehörte, als Donaustadt genannt, und erstere blieb ganz übergangen, vermuthlich, weil sie für einen Bestandtheil der Landvogtei gehalten wurde. Dies gab Veranlassung, daß das Recht der Besitznahme von Waldsee zweifelhaft blieb und Würtemberg und Bayern darum stritten, bis endlich die Rheinische Bundesakte für Würtemberg entschied.